Geschichte des Segelclub Rietli Goldach
Autor: + Pico Bischof
1944 herrschte in Europa Krieg. Der Wassersport am Bodensee war sehr eingeschränkt. Nur bis Höhe Altenrhein, ohne Motor und nur bis Einbruch der Dunkelheit durfte gesegelt werden. Alle Boote mussten an Land abgeschlossen sein. In der Rorschacherbucht segelten nur zwei Jollen. In Staad lagen einige Malteser- und andere Yachten im Hafen. Bis nach Romanshorn gab es noch keine Häfen oder Segelschiffe.
Am Rietli-Strand in Goldach an der Mündung des Dorfbaches in den Bodensee wagten sich einige Seebuben mit selbstgebauten Segel-Paddelbooten auf das offene Wasser. Es gab weder Baupläne, Bootswerfte, Boots-Shops noch Segelmachereien. Es musste alles selbst entwickelt werden. Vom Aerodynamik hatten wir wenig Ahnung. Die Holzgerüste wurden mit Stoff überspannt und mit Leinöl und Farbe bestrichen, bis alles dicht war. Dann wurden die Boote langsam und behutsam zu Wasser gelassen. Ging dann ein schwacher Thermikwind, so setzten wir die Segel, die zuvor noch als gute Leintücher in Mutters Truhe gelagert hatten und zu Segel vernäht worden waren.
Unsere Begeisterung kannte keine Grenzen. Wie Wikinger segelten wir den Alten Rhein hinauf, machten Lagerfeuer und schliefen in einer Wolldecke auf den blossen Planken unserer Boote. Diese Segeltörns brachten eine unwahrscheinliche Seemannschaft und Kameradschaft, sodass wir vier Rietli-Segler beschlossen, einen Club zu gründen.
Unser erster Stander
Das grösste Problem waren eine Clubfahne und ein entsprechend hoher Fahnenmast. Zwei Mann holten eine möglichst gerade Tanne im Wald, brachten diese mit dem Fahrrad an den Rietli-Strand, schälten in Nachtarbeit die Rinde ab und setzten bis am Morgen mit Block und Leine die Stange. Inzwischen wurde zu Hause der Stander genäht, oben blau für den Himmel, in der Mitte weiss für die Segel und unten Grün für das Wasser. Damals ahnten wir noch nicht, dass dieser Stander später an unzähligen Regatten in ganz Europa an diversen Distrikt-, Landes- und Weltmeisterschaften ehrenvoll abgegeben werden würde.
Mit Trommelwirbel wurde der erste Stander im Morgengrauen gesetzt. Damit war unser Club gegründet.
Mündung Dorfbach rechts hinter der hellen Ufermauer, ganz rechts im Hintergrund die Bahnlinie
Wochen danach wurde unser Enthusiasmus arg gedämpft. Damals waren die Yachtclubs am Bodensee noch sehr konservativ und legten grossen Wert auf Yachtgebräuche, Kleidung und Schiffsmaterial. Wir konnten aber weder die einen noch das anderen Ansprüche erfüllen. Unser Gesuch um Aufnahme in den Bodensee-Seglerverband hatte keine Chance.
Deshalb stellten wir ein Aufnahmegesuch bei der USY (heute Swiss Sailing). Wir fuhren dann mit Herzklopfen nach Genf und konnten schliesslich den USY-Vorstand durch unserer Regattatätigkeiten und mit unseren Bordbüchern, die unsere Segelei mit Fotos und Texten zeigten, überzeugen.
Wir wurden in die USY aufgenommen. Unser Glückgefühl auf der Heimfahrt und in der anschliessenden Versammlung war unbeschreiblich.
Damit war (als national anerkannter Segelclub) auch der Weg frei zur der Aufnahme in den internationalen Bodensee-Seglerverband.
Gründung des Segelclub Rietli Goldach
Autor: nicht bekannt
1944 sah man in Europa und somit auch am Bodensee wieder friedlicheren Zeiten entgegen. Viele Verbote sollten bald aufgehoben werden, und alle freuten sich darauf, Freunde hüben und drüben des Sees wieder zu besuchen. Der Bodensee sollte wieder die drei Anrainerstaaten glücklich verbinden. Die Schifffahrtsgesellschaften machten ihre Einheiten klar zum Auslaufen. Die deutschen Dampfschiffe, welche in die Schweizer Häfen Schutz gesucht hatten, sollten bald wieder ihre Heimathäfen zurückkehren. Und die Segler holten ihre alten Segelschiffe aus den verstaubten Winterlagern oder gar aus den Verstecken hervor.
In der Rietlibucht vor Goldach machten schon seit 1942 einige junge Leute ersten Versuche mit besegelten Kanus. Es gab wunderliche Risse und Takelagen, welche bei Misserfolg im Herbst am Ufer verbrannt und über den Winter neu gebaut wurden.
Am 15. August 1944 trafen sich junge Segler im Restaurant Rietli und gründeten den Segelclub Rietli (SCR). Anwesend waren 14 zukünftige Mitglieder. In den 1. Vorstand wurden die 4 Idealisten gewählt, welche schon 1942 die ersten besegelten Schiffe gebaut hatten.
Präsident: Paul Bischof
Vizepräsident: Sepp Bischof
Aktuar: Toni Bischof
Kassier: Hans Roderer
An dieser Versammlung wurden auch schon die ersten Statuten beschlossen. Die Eintrittsgebühr betrug CHF 1.00, als Monatsbeitrag wurde der gleiche Betrag festgesetzt.
Unser Gönnermitglied Erwin Hoss (ehemaliger Wirt des abgebrannten Restaurant Rietli) sorgte nach der Gründung für Speis und Trank. Ihm zu Ehren sangen wir zum Schluss der Gründungsversammlung sein Lieblingslied „Wir lagen vor Madagaskar“ in Begleitung von Schifferklavier und Gitarre.
Noch im Gründungsjahr wurde der definitive und heute immer noch aktuelle Clubstander in den Farben Blau/Weiss/Grün entworfen, angefertigt und am Rietlistrand gehisst.

Baugeschichte Clubhaus Segelclub Rietli Goldach
Autor: Beat Fritsche
1868 / 1967
Die Baugeschichte unseres Clubhauses hängt mit dem Grundstück Nummer 159, Grundbuch Goldach zusammen. Dieses liegt – damals und heute – am Seeufer östlich des Dorfbachs.
Am 26. Juni 1868 kaufte die württembergische Königin-Mutter Pauline das Grundstück und liess darauf eine Villa sowie Nebengebäude errichten. Auch wurden prächtige Bäume gepflanzt. Seit dem Zweiten Weltkrieg steht dort am Dorfbach auch ein Bunker.
1967 ging das Grundstück an die Familie Kellenberger. Sie nannte es „Seepark“. Darauf standen beim Kauf noch die romantische Gartenlaube aus der Zeit der Königin-Mutter Pauline sowie im See vor dem Grundstück das württembergisches Badehaus mit einem Bootslift. Zugänglich war dieses über einen Steg. Weiter Richtung See schloss ein Landesteg für grössere Boote an.
Der Segelclub Rietli Goldach SCR war auf der anderen, westlichen Seite des Dorfbaches auf dem Strand unter der Bahnlinie aktiv. Hin und wieder erlaubte die Familie Kellenberger den Clubmitgliedern, auf dem östlichen Grundstück „Seepark“ zu feiern.
links „Seepark“, in der Mitte Mündung Dorfbach, rechts Rietlistrand
1968
Am 13. Januar unterzeichneten Rudolf Kellenberger und der SCR-Präsident Willy Angehrn einen Pachtvertrag betreffend das Grundstück „Seepark“ zugunsten des SCR. Der Pachtzins betrug CHF 1’500 pro Jahr. Der Vertrag wurde auf 5 Jahre befristet. Auf Vorschlag des damaligen Gemeindeammanns Hans Huber konnte der SCR ein Vorkaufsrecht am Grundstück im Grundbuch eintragen lassen.
Kurt Frey baute einen Holzsteg über den Dorfbach, um das Grundstück „Seepark“ von Westen her besser zugänglich zu machen.
„Seepark“ mit Badehaus im Hintergrund, Blickrichtung Rorschach
1969
An der Hauptversammlung schlug der Vorstand den SCR-Mitgliedern vor, das gepachtete Areal zu kaufen. Die Versammlung stimmte dem Kauf grundsätzlich zu, wollte aber vom Vorstand genauere Angaben betreffend Preis.
1970
An der ausserordentliche Hauptversammlung vom 2. Oktober stimmten die SCR-Mitglieder dem Vorschlag des Vorstands zum Kauf des Grundstückes «Seepark» zu. Am 16. Dezember erfolgte der für den SCR wohl wichtigste und glücklichste Schritt: Mit dem Kaufvertrag wurden wir Eigentümer des Grundstücks. Der Kaufpreis betrug CHF 63’000.
1971
An Vorstandssitzungen und Versammlungen wurde in der Folge der Bau eines Clubhauses auf dem Grundstück „Seepark“ diskutiert. Auf einem Plan vom Februar 1971 findet sich die Notiz: „eventuell kleines Clubgebäude für WC + Segellager + Umkleideraum + Gartengeräte“. Architekt Ferdinand Bereuter hatte ein Projekt ausgearbeitet, das den damaligen Bauvorschriften entsprach. Dieses wurde dann dem Gemeinderat Goldach unterbreitet. Während der Auflagefrist gingen Einsprachen ein, die aber alle erledigt werden konnten. Darauf wurde die Baubewilligung erteilt. Nur: Das Projekt wurde vereinsintern abgelehnt. Der Mehrheit der Mitglieder des SCR war der Baukredit von CHF 300’000 zu hoch.
1972
Das Scheitern des Clubhausbaus im Vorjahr hatte sein Gutes: Kanton und Gemeinde hatten nämlich beschlossen, die Seestrasse zu korrigieren und das Seeufers von Goldach bis nach Rorschach aufzuschütten. Für diese Arbeiten mussten wir unser Land abtreten. Geschüttet wurde das Material, das beim Bau der Stadtautobahn St. Gallen anfiel. Auch Abbruchmaterial vom ehemaligen Gefängnis St. Jakob in St. Gallen soll verwendet worden sein. Für die Abtretung des Landes wurde uns Realersatz zugesichert.
Der leitende Ingenieur der Seeufergestaltung war das SCR-Mitglied Ermin Busch.
1973
Nach Abschluss der Aufschüttung wurde der Realersatz vertraglich festgehalten. Vertragsparteien waren der SCR, der Kanton St. Gallen und die Gemeinde Goldach. Der Kanton war Partei, weil die Schüttung grossenteils in den See erfolgte. Dabei wurde auch der 14 Meter lange Steg, der schon im Kaufvertrag der württembergischen Königin-Mutter Pauline zum Grundstück gehörte, abgebrochen. Für diesen Verlust wurden wir mit CHF 5’000 entschädigt. Wir erhielten dann auch das Recht, vom neuen SCR-Ufer aus einen neuen, 14 Meter langen Steg zu bauen. Wegen des sehr steilen Ufers vor unserem Gelände mussten dazu 14 bis 16 Meter lange Pfähle geschlagen werden.
Metallbauer Werner Müller von St. Gallen – ebenfalls SCR-Mitglied – baute den Steg.
1976
Mit dem neu gestalteten Grundstück kam wieder der Wunsch nach einem Clubhaus auf. An der Hauptversammlung beschloss der Verein, ein solches unter der Leitung von Ermin Busch, Ralph Simmler und Ernst Gautschi in Eigenregie zu bauen. Am Morgen des 13. November 1976 erfolgte der Spatenstich durch den SCR-Präsidenten Bobby Oderbolz, unterstützt durch den Präsidenten des YC Langenargen, Herbert Froschner. Gleich anschliessend wurden das Schnurgerüst errichtet und mit den Grabungen für die Kanalisation begonnen. Bruno Baumann übernahm die Planung des Holzbaus und band diesen in der Zimmerei der Firma Gautschi zusammen mit SCR-Helfern ab. Anschliessend wurde der Holzbau auf den vorbereiteten Fundamenten im Rietli aufgerichtet. – Alles mit Freiwilligenarbeit, wie wir heute sagen.
1977
Der Bau und die Fertigstellung des Clubhauses wurden im SCR eingehend diskutiert. Auch die Kosten gaben zu reden. Besprochen wurden zum Beispiel die Art des Bodenbelags, das Mobiliar im Clubhaus oder die Isolation der Glaswände. Vorschläge und Beschlüsse dazu wurden von Clubmitglieder umgesetzt. Total wurden 727 Stunden Eigenleistungen im Wert von rund CHF 120’000 erbracht.
Ernst Giger und Kurt Frei stifteten einen grossen Teil der sanitären Anlagen. Der Yachtclub Langenargen YCL und die Seglervereinigung Horn SVH stifteten je einen schönen Eichentisch.
1978
Der grosse Tag: Einweihungsfest
1985
Der SCR war nun schon längere Zeit Eigentümer eines Clubhauses am See. Was fehlte, war ein sicherer Hafen. Durch Arbeiten der Gemeinde Goldach, welche westlich des Dorfbachs Aushubmaterial aufschüttete, entstand dann ein Hafen. Auch Slips für Jollen wurden gebaut. Am 28. Juni 1985 fand die Einweihung des Hafens statt.
Für die SCR-ler ging ein Traum in Erfüllung: eigenes Land, eigenes Clubhaus, drei Jollen-Slips, einige Bojenplätze, eine Beibootbucht und ein sicherer Gemeindehafen.
Hafenbau, über der Seestrasse das Restaurant Rietli und das Gaswerk der Stadt St. Gallen, in der Mitte links unter den Bäumen das neue Clubhaus
(Ende 70er Jahre)
2022
Weitere Geschichten zu unserem Segelclub und zur Region Rorschach: www.rorschachergeschichten.ch